FAQ

Was gehört zum religiösen Existenzminimum bei den Yeziden?

  1. Funktionierendes Gemeindeleben unter Einhaltung der “fünf Grundpflichten”
  2. Einhaltung der drei allgemeinverbindlichen Glaubensgrundsätze
  3. Pflege von elementaren religiösen Bräuchen und Feierlichkeiten

 

Was sind die „fünf Grundpflichten“ (Pênc ferzên heqîqetê)

Der yezidische Reformator Sheikh Adi hat durch die Einführung der Klassen innerhalb der Yeziden eine komplexe Gesellschaft geschaffen. Diese Komplexität tritt an die Stelle einer religiösen Organisation etwa im Sinne christlicher Religionen, sie erfordert einen intensiven Kontakt der Yeziden untereinander.
Unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Klasse ist jeder Yezide an fünf Grundsätze gebunden:

  1. Anerkennung des „Meisters“ (hoste), gemeint ist Gott
  2. Religiöse Betreuung durch einen Sheikh
  3. Religiöse Betreuung durch einen Pir
  4.  Wahl eines Lehrers (Merebi).
  5. Wahl eines Bruders bzw. einer Schwester für das Jenseits (Yar an Birayê Axretê)

 

Kennen die Yeziden eine Art Taufe (Bisk)?

Allen Säuglingen männlichen Geschlechts werden im 7., 9. oder 11. Monat (die Monatszahl muß ungerade sein) kleine Büschel des Kopfhaares an drei verschiedenen Stellen von ihrem Tauf-Sheikh (Þêxê Biskê) abgeschnitten, und dabei wird das Taufgebet gesprochen.

 

Wird bei den Yeziden die Beschneidung (sunet) praktiziert?

Männliche Yeziden werden in ihrer Kinderzeit, spätestens aber kurz vor ihrer Ehe einer Beschneidung unterzogen.

 

Wie erfolgt bei den Yeziden die Beerdigung?

Es gelten detaillierte Regeln. Der Sarg muß so in die Erde eingelassen werden, dass das Gesicht des Toten in Richtung Sonnenaufgang zeigt. Die Waschung der Toten erfolgt nach einer bestimmten Zeremonie, wobei der Scheikh, der Pir und der Biraye Akhrete anwesend sein müssen. Der Sarg für Frauen wird etwas tiefer eingelassen als der für Männer. Zum Abschluß wird eine Grabplatte gelegt. Der Leichnam trägt weiße, besonders zugeschnittene Kleidung, und das Gesicht – Augen und Mund – werden mit Berat belegt. Berat ist die zumeist zu Kugeln geformte heilige Erde aus dem Religionszentrum Lalish. Der Mann erhält je einen Grabstein über dem Kopf und den Füßen, die Frau nur einen Kopf-Stein.
Der menschliche Körper ist etwas Gott gegebenes. Auch nach dem Tod bezeichnen die Yeziden den verstorbenen Leichnam als „Amanete Khode“, d.h. „Eigentum / Werk Gottes“. Folglich wird bei den Yeziden die Einäscherung nicht praktiziert.
Nachdem der Leichnam beerdigt wurde und die Trauergemeinde die Grabstelle verlässt, versucht der Verstorbene den Menschen zu folgen. Dabei stößt er mit seinem Kopf gegen eine Steinplatte / einen größeren Stein, die ihm ins Grab gelegt wurden und er erkennt erst zu diesem Zeitpunkt, dass er verstorben ist.

 

Welches sind die wichtigsten religiöse Feste der Yeziden?

  1. Im Dezember feiern die Yeziden das “Îda Êzî”. Voran geht ein dreitägiges Fasten.
  2. Im April feiern die Yeziden das religiöse Neujahrsfest “Carsema Sor
  3. Im Oktober feiern die Yeziden das Fest zur Ehren Sheikh Adis (Cumaiya Sîxadî)

 

Welche Bedeutung hat das Ida-Ezi-Fest?

Das Ida-Ezi-Fest bildet den Höhepunkt der Feierlichkeiten nach den vorangegangenen Fastentagen. An dem ersten Dienstag im Dezember eines Jahres fasten die Yeziden drei Tage, d.h. bis zum Donnerstag einschließlich, wobei täglich nur vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefastet wird (ca. 12 Stunden). Bei den Yeziden beginnt der erste eines Monats am 14. des christlichen Kalenders. Am 4. Tag, immer ein Freitag wird das Ida Ezi gefeiert. Die Bedeutung der Feier für die Yeziden ist der von Weihnachten bei den Christen gleichzusetzen. Der Ursprung der Feier ist sehr alt und findet sich im Mithraismus, in dem die Sonne verehrt wurde. Auch im Yezidentum nimmt die Sonne einen hohen Stellenwert an und wird als das sichtbare Symbol Gottes verstanden. Im Ur – Yezidentum wurde die Sonne gar als Gottheit angebetet. Nicht ohne Grund fällt daher der wichtigste Feiertag der Yeziden in die Sonnenwende (21.12. eines Jahres). Weil die Tage zu der Sonnenwende immer kürzer werden und damit die Sonne immer weniger zu sehen ist, fasten die Yeziden. Mit dem Feiertag wurde also ursprünglich das Ende der kurzen Tage gefeiert. Es ist das Fest zu Ehren Gottes.

Existiert bei den Yeziden die Gestalt des Bösen?

Im Yezidentum existiert nicht die Gestalt des Bösen. Die yezidische Vorstellung ist, dass Gott allmächtig ist und neben Gott auch keine zweite Kraft existieren kann, die ohne seine Fürsprache, ohne sein Dazutun etwas Böses verrichten kann. Die Yeziden sprechen auch nicht das Wort des Bösen aus, weil allein der Ausspruch dieses Wortes die Anzweiflung der Einzigartigkeit Gottes ist. Nach yezidischer Vorstellung wäre Gott schwach, wenn er noch eine zweite Kraft neben sich existieren lassen würde. Diese Vorstellung wäre mit der Allmacht Gottes nicht vereinbar.

 

Warum werden die Yeziden von fanatischen Moslems verfolgt?

  1. Keine Buchreligion (nicht zutreffend)
  2. Verstoß gegen das „Bilderverbot“: Verehrung Tawusi-Melek im Bilde (zutreffend, jedoch ist Tawusi-Melek nicht mit Gott gleichzusetzen)
  3. Verantwortlich für die Ermordung von Ali (nicht zutreffend)

Fanatische Moslems vertreten die Auffassung, dass die Yeziden vom Rechten Weg abgekommen sind und bekehrt oder umgebracht werden müssen. Beides bringt Seelenheil.

 

Welche Bedeutung wird Tawusi Melek beigemessen?

Gott hat aus seinem Licht sieben Engel geschaffen. Einen von ihnen – den Tausi-Melek – hat er zum obersten Engel erkoren, weil er in besonderer Weise die Einzigartigkeit Gottes gehuldigt hat. Er wird im Yezidentum durch einen Pfau symbolisiert.
Aufgrund der Weigerung, Adam anzubeten, steht er für die Anerkennung der Allmacht Gottes. Er wurde von Gott zum obersten der sieben Engel erkoren und steht somit im Mittelpunkt des yezidischen Glaubens. So symbolisiert Tausi-Melek in der yezidischen Theologie nicht das Böse und ist auch kein in Ungnade gefallener Engel.
Nach der Schöpfungsgeschichte der Yeziden ist Tausi-Melek an der gesamten Schöpfung, an dem göttlichen Plan aktiv beteiligt. Folglich verkörpert Tausi-Melek nicht den Widerpart in einem dualen Weltbild, sondern ist der Beweis für die Einzigartigkeit Gottes.

 

Wie sieht das Menschenbild bei den Yeziden aus?

Der Mensch ist in erster Linie selbst verantwortlich für sein Wirken. Aus yezidischer Sicht hat Gott dem Menschen die Möglichkeit gegeben, zu sehen, zu hören und zu denken. Er hat ihm den Verstand gegeben und damit die Möglichkeit, für sich den richtigen Weg zu gehen.

 

Haben die Yeziden ein heiliges Buch?

Es gibt im Yezidentum keine schriftliche Fixierung der religiösen Lehre, wie es vergleichbar die Bibel für die Christen ist. Die Vermittlung beruht vielmehr auf mündlicher Überlieferung. Es gibt jedoch zwei Bücher, das „Buch der Offenbarung“ – kurdisch „Kiteba Celwa“, und die Schwarze Schrift. Die kurdische Bezeichnung hierfür ist „Meshefa Resh“. Beide haben aber nie die Bedeutung gehabt, die Religion zu vermitteln. Sie sind “leider als Originale auch nicht mehr auffindbar. Es sind lediglich einige Abschriften vorhanden, wobei davon ausgegangen werden kann, dass diese nicht in allen Teilen authentisch sind.

 

Was hat es mit der Klassengesellschaft im Yezidentum auf sich?

Wichtig für das Verständnis der yezidischen Religion ist, dass es im Yezidentum eine Art Klassengesellschaft gibt. Man kann als Yezide nur geboren werden. Es besteht nicht die Möglichkeit, zum Yezidentum zu konvertieren. Und seit dem 11. Jahrhundert gibt es innerhalb der Yeziden bestimmte Abgrenzungen oder Klassen, die der yezidische Reformator Sheikh Adi eingeführt hat. Die Gruppen sind unterteilt in Laien – die kurdische Bezeichnung lautet „Murid“ (das allgemeine Volk) – und die Klasse der Geistlichen, die sich dann noch in zwei weitere Klassen unterteilt – die Klasse der „Sheikh“ und die der „Pir“. Die Zuordnung der Klassen erfolgt nach dem Vererbungsprinzip. Die Kinder von Murid-Eltern sind ebenfalls Murids, sowie die Kinder von Sheikh-Eltern Sheikhs und die Kinder von Pir-Eltern Pirs sind. Jeder Sheikh- und Pir-Familie sind von Geburt Murids zugeordnet.

 

Welche Funktion hat das Klassenwesen?

Die Geistlichen haben die Funktion, die Laien zu betreuen und in der religiösen Lehre zu unterweisen. Darüber hinaus übernehmen sie wichtige soziale Funktionen. Im Gegensatz zum Kastenwesen im Hinduismus haben die Klassen im Yezidentum nicht die Funktion, eine weltliche Hierarchie herzustellen, sondern wie beschrieben hauptsächlich religiöse Funktion. Es gibt also in der yezidischen Gesellschaft keine Ausgrenzung und keine Parias. Der Kontakt zwischen den einzelnen Klassen ist nicht nur gewünscht, sondern die einzige Möglichkeit, die Religion zu bewahren. Durch die Einführung der Klassen wurde eine komplexe Gesellschaft geschaffen, die aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit zu einem besseren Zusammenhalt unter den Yeziden geführt hat. Es war den Yeziden aufgrund der Unterdrückung versagt, ihre religiöse Organisation öffentlich zu bestimmen und zu pflegen. Durch die von Geburt festgelegte Zuordnung zu einer Klasse und einem Betreuungsverbund hat Sheikh Adi ein religiöses System etabliert, das den Yeziden ermöglicht hat, in der Unterdrückung auch ohne die sonst erforderliche öffentliche Organisation ihr religiöses Leben zu führen. Diese Regeln haben bewirkt, dass die Yeziden gegen die massiven Islamisierungsbestrebungen resistenter wurden.

 

Wie ist das Toleranzverständnis im Yezidentum zu anderen Religionsgemeinschaften?

Die yezidische Gesellschaft hat als Grundverständnis, dass ein Yezide ein guter Mensch sein kann, aber um ein guter Mensch zu sein, muss man nicht Yezide sein. Das heißt also: Die Yeziden vertreten nicht die Auffassung, dass sie andere Menschen von der eigenen Religion überzeugen müssen, also die anderen von ihrer Religion abbringen und missionieren müssen. Sondern das Yezidentum ist von vornherein tolerant gegenüber anderen Religionen. In einem Gebet der Yeziden heißt es: „Lieber Gott, schütze erst die 72 Völker und dann uns“.

 

Wie sieht Menschenrechtssituation der Yeziden in ihren Heimatgebieten

Die Yeziden werden in ihrer Heimat verfolgt. Einmal ethnisch, weil sie Kurden sind, aber dann noch viel gravierender, weil sie Yeziden sind. Weil sie einer Glaubensgemeinschaft angehören, die aus Sicht der fundamentalistischen Moslems kein Recht hat, überhaupt zu existieren. Das Christentum und das Judentum gehören zu den geduldeten Religionen. Aber das Yezidentum wird als eine Abspaltung des Islam, praktisch als eine Sekte verstanden, die von dem richtigen Weg abgekommen ist. Deren Anhänger sind zu bekehren oder umzubringen.
Die Yeziden haben auch keinen Schutz von den Regierungen und Staaten bekommen. Die Türkei z. B. hat die Yeziden nicht davor schützen können oder wollen, verfolgt zu werden. Deswegen sind besonders in den achtziger Jahren sehr viele Yeziden nach Deutschland geflüchtet. Hier wurden sie nach einem sehr langwierigen Asylverfahren, nachdem sehr viele Gutachten erstellt wurden, als asylberechtigt anerkannt.

 

Quelle